Hier finden Sie unseren aktuellen Rundbrief: In diesen berichten wir aus den aktuellen Projekten, Wissenswertes aus Welikji Nowgorod und spannende Themen aus Russland. Wir geben Tipps aber auch nützliche Informationen.


Liebe Mitglieder und Freunde der Städtepartnerschaft mit Welikij Nowgorod!


Zur öffentlichen Mitgliederversammlung am Donnerstag, dem 26. Januar 2023
um 19 Uhr laden wir Sie erneut in den schönen Rochdale-Saal im Alten Rathaus ein.


Die Sprache des Volkes
Die ukrainische Nationalbewegung und die Reaktion der russischen Intelligenzija
(1830er – 1860er Jahre)


Wir werden einen Blick werfen in die Beziehungen zwischen ukrainischen und russischen Kulturträgern im 19. Jahrhundert und erkunden, in welcher Beziehung sie stehen zur Frage einer eigenständigen ukrainischen Nation. Den Vortrag hält der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Jens Herlth: er hat in Köln und Moskau studiert und lehrt seit 2007 Slavische Philologie in Fribourg (Schweiz).
(Mehr dazu lesen Sie auf S. 2).


Auch andere Texte dieses Rundbriefes befassen sich im weitesten Sinne mit ukrainischen Themen.

Die Sprache des Volkes
Unsere Wahrnehmung der Ukraine verändert sich seit dem Beginn dieses Krieges kontinuierlich und fundamental. Wir fragen uns, worin die von den Ukrainern so stark betonte Andersartigkeit gegenüber Russland besteht und wo sich im Laufe der Geschichte
Gemeinsamkeiten und Brüche zeigten. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts versuchten es die beiden in einer gemeinsamen Staatlichkeit. Heutige ukrainische Intellektuelle sprechen von einer Kolonisierungspolitik Russlands gegenüber den so genannten “kleinrussischen” Brüdern seit den 1770-er Jahren unter Katharina der Großen. Und sie kritisieren das klassische Instrument der
 Sprachpolitik, die um 1860 eine ernstzunehmende ukrainische Standardsprache negierte und daraus sogar ihr Verbot ableitete. Bis ins 20. Jh. existierte dieses Verbot, bedeutende ausländische Bücher ins Ukrainische zu übersetzen und Filme zu
synchronisieren: die Sprache sei unterentwickelt und klinge altmodisch.
Dazwischen gab es eine Epoche, mit der sich der Referent befassen wird. Sein Blick gilt den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts: hier besann man sich wie in vielen europäischen Ländern auf eigene nationale Wurzeln und Traditionen und erkannte als ihre Quelle das einfache Volk. So auch in Russland. “Die Orientierung am Volkstum wurde in den 1830-er
Jahren unter Nikolaus I. sogar Teil der Staatsdoktrin. Allerdings war sie durchaus explosiv: das “Volk” war bei genauerer Hinsicht vielfältiger, als es der Regierung lieb sein konnte. Und vor allem war es buchsträblich versklavt: Die große Menge der Bauern im europäischen Teil des Imperiums waren Leibeigene. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen ukrainischer
Literaten, Historiker und Ethnographen zu sehen, die sich seit den 1840-er Jahren für die Entwicklung einer ukrainischen Sprache und Kultur einsetzten. Nationale und soziale Anliegen gingen hier Hand in Hand.
Russische Literaten verfolgten die Entwicklungen in den sogenannten ‚kleinrussischen‘ Provinzen zunächst mit viel Sympathie. Der Schriftsteller, Volkskundler und Lexikograph Wladimir Dal` schrieb Mitte der 1830-er Jahre, dass die Sprache des ukrainischen Volkes sich viel besser für literarische Zwecke eigne als die des russischen, da letztere sehr weit von der bereits fest etablierten russischen Literatursprache entfernt sei. Gleichzeitig feierte Nikolaj Gogol mit seinen Erzählungen aus der Welt des ukrainischen Dorfs Triumphe beim Petersburger Publikum: Seine „Abende auf einem Weiler bei Dikanka“ waren auf Russisch geschrieben, mit einem Verzeichnis ukrainischer Wörter im Anhang.
Die Situation änderte sich, als das Projekt einer ukrainischen Literatur und Sprache in den 1840-ern in seiner politischen Dimension erkennbar wurde. Nun äußerten sich russische Intellektuelle kritisch: zum Teil, weil sie die Idee einer ukrainischen Nation rundweg ablehnten, zum Teil aber auch, weil sie der Meinung waren, dass die sozialen Anliegen, nämlich die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauern, gegenüber den nationalen Vorrang genießen sollten.” Soweit die Skizze des Vortragenden Dr. Jens Herlth, er wird die sich daraus ergebenden Kontroversen nachzeichnen und sie an Fallgeschichten aufzeigen. Wir dürfen gespannt darauf sein, welche Bezüge sich aus seinen Darlegungen für die aktuelle Situation ableiten lassen, und freuen uns auf einen interessanten Abend.
Seien Sie herzlich willkommen!

Brunhild Hilf

 

Holodomor – Mord durch Hunger
In den 1920-er Jahren wurde im Zusammenhang mit der liberalen gesamtsowjetischen Nationalitätenpolitik das Ukrainische als Schrift- und Amtssprache anerkannt, denn man wollte die kulturpolitische Diskriminierung aller Nichtrussen beseitigen. Das hatte zur Folge, dass das ukrainische Schulwesen ebenso wie die ukrainische Kultur und Wissenschaft ungeahnten Aufschwung nahm. Die dadurch beschleunigte Nationsbildung weckte allerdings auch politische Ansprüche und wurde in den 30-er Jahren zur Gefahr für den russischen Großmachtchauvinismus.
Ende der 20-er Jahre erfolgte mit der forcierten Industrialisierung der UdSSR eine radikale Neuorientierung in der Politik. Dabei nahm die südliche Ukraine eine bedeutende Rolle als Rückgrat der sowjetischen Schwerindustrie ein, die Weltrang beanspruchen konnte.

In der Agrarpolitik wurde die Kollektivierung durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt. Programmatisch war die „Liqidierung des Kulakentums als Klasse“, wobei Kulak nicht nur der Großbauer war, auch jeder, der sich der Kollektivierung widersetzte. Getreide wurde nicht nur zur Ernährung der eigenen Bevölkerung beschlagnahmt, sondern zur Finanzierung des Industrialisierungs-programms exportiert. Als dazu auch Futtergetreide für das Vieh und Saatgut requiriert wurde, bedeutete dies für 3 – 4 Millionen Ukrainer den Hungertod. Es kam zu gewaltsamen Protestaktionen der Bauern, die als Widerstand, als politische Sabotage
gegenüber den gesamtgesellschaftlichen Zielen gedeutet wurden. Es erfolgte 1933 daher eine „Säuberung“ unter der ukrainischen Elite, die in der „Großen Säuberung“ von 1937/38 einen weiteren grausamen Höhepunkt erreichte.
Hier setzt sich eine Politik wie schon zur Zarenzeit fort, die die Ukraine als besonders sensibles Gebiet erscheinen lässt, dass man enger an die Zentrale binden wollte als andere periphere Regionen.
Stalin nannte den Holodomor ein „Märchen“, das verordnete Schweigen endete erst in Glasnost` und Perestrojka unter Gorbatschow, für die ukrainische Erinnerungspolitik bleibt es bis heute ein traumatisches Geschehen.
In der derzeitigen Situation ist es für den deutschen Bundestag folgerichtig gewesen, sich am 30.11.2022 damit auseinander-zusetzen: Das Streben der sowjetischen Führung nach einer Kontrolle der Bauern sei damals mit der Unterdrückung der ukrainischen Lebensweise, Sprache und Kultur verschmolzen, heißt es in der Bundestag-Drucksache. „Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe.“
Es gehe aktuell um den Wunsch zu erinnern, zu gedenken, zu mahnen – auch daran, dass wir Deutschen in einer besonderen historischen Schuld und Verantwortung gegenüber der Ukraine stehen.
Brunhild Hilf


Quellen: Andreas Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine; dekoder; Tageszeitungen

Wir begrüßen sehr, dass sich die Partnerschaftskommission und der Rat der Stadt Bielefeld dazu entschlossen hat, eine Solidaritätspartnerschaft mit Tscherkassy am Dnipro einzugehen mit dem naheliegenden Ziel der Einrichtung einer Wärmestube, weitere Unterstützungsmaßnahmen können folgen.

 

Wir gratulieren Herrn Prof. Dr. Michail Pevzner zur Verleihung des Nationalpreises:


„Professor des Jahres 2022“


Für die Region Nord-West wurde er im November
zusammen mit vier Kollegen der Petersburger Universität,
die andere Fachrichtungen vertreten, ausgezeichnet.
Es handelt sich um eine nichtstaatliche Würdigung,
die von der „Russischen Professorenversammlung“ vorgenommen wird.
Wir freuen uns mit ihm!

 

Empfehlend weisen wir hin auf eine Veranstaltung der

Literarischen Gesellschaft OWL / Literaturhaus Bielefeld e.V.

am Donnerstag, dem 16.2. 2023 um 20 Uhr in der Stadtbibliothek Bielefeld


Ukrainische Gegenwartsliteratur. Vortrag und Lesung

Die historisch bedingte Heterogenität der Ukraine, zu der russische, polnisch-litauische und habsburgische Einflüsse beigetragen haben, spiegelt sich nicht nur in der heutigen ukrainischen Gesellschaft wider, sondern auch in ihrer zeitgenössischen Literatur.
Das kollektive und historische Gedächtnis dieser Entwicklung wurde durch den Angriffskrieg Russlands seit dem 24.2. 2022 in besonderem Maße geschärft. In ihrem Vortrag mit dem Titel

„Ich kann schreiben und ich kann schweigen“

wird Frau Prof. Dr. Yvonne Pörzgen (Ruhr-Universität Bochum) einen Überblick über verschiedene Tendenzen innerhalb der ukrainischen Literatur geben, die sich mit Namen wie Juri Andruchowytsch, Andrej Kurkov, Serhij Zhadan, Tanja Maljartschuk u.a. verbinden.
Aus Büchern von Tanja Maljartschuk und Serhij Zhadan liest der Schauspieler John Wesley Zielmann.
Moderation: Dr. Maria Kublitz-Kramer, Brunhild Hilf

 


EINLADUNG zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung - ohne Vortrag


Coronabedingt sind seit dem März 2020 etliche Veranstaltungen abgesagt worden, darunter auch die schöne Reise, die wir mit vielen von Ihnen für den Sommer 2020 geplant hatten.

Aus denselben Gründen kamen keine Gruppen mehr hierher, keine Austauschmaßnahmen fanden statt. Und im Februar 2022 setzte obendrein der Krieg vielen deutsch-russischen Städtepartnerschaften ein Ende. Bielefeld bleibt mit Welikij Nowgorod verbunden, zwar gibt es keine offiziellen Kontakte, aber das Aquarellbuch und der Schreibwettbewerb 2022 sind
schöne Brücken, an denen wir weiter bauen möchten.
Wir möchten Sie zum Gespräch bitten, zum Austausch darüber, wie es Ihnen mit Ihren Kontakten zu Bekannten und Freunden in unserer Partnerstadt geht, welche Sorgen, Gedanken, Perspektiven sich bei Ihnen entwickelt haben.

Vorgesehen dafür haben wir den Abend des 1. März
den Ort werden wir noch bekanntgeben.

 

 

Adressen der Vorstandsmitglieder


Dr. Manfred Dümmer, Heckstraße 16, 33609 Bielefeld, Tel. 325 385
Ulrich Eckert, Albertstr.10, 33649 Bielefeld, T. 9 467 120
Hans-Georg Fischer, Hagenkamp 44, 33609 Bielefeld, Tel. 330 233
Christel Franzen, Kupferheide 39a, 33649 Bielefeld, Tel. 451 102
Dr. Gerlinde Günther-Boemke, Deppendorfer Straße 160, 33619 Bielefeld, Tel. 05 203 – 1 205
Brunhild Hilf, Schelpsheide 12, 33613 Bielefeld, Tel. 889 282
Stephan Platzbecker, Untere Wende 33, 33739 Bielefeld, Tel. 875 548
Erika Weichert, Am Balgenstück 33b, 33611 Bielefeld, Tel. 83 731
  

Herausgeber: Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld – Welikij Nowgorod e. V.


www.bielefeld-welikijnowgorod.de
Brunhild Hilf - Schelpsheide 12 - 33613 Bielefeld
Redaktion: Brunhild Hilf und Rebecca Nußbaum
Konto des Kuratoriums: Sparkasse Bielefeld, IBAN DE93 4805 0161 0000 1140 41,
BIC SPBIDE3BXXX 

 


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