18.09.2022
Das Aquarellbuch als Friedensgespräch in einer heillosen Zeit
Die Städtepartnerschaft zwischen Bielefeld und Welikij Nowgorod ist Teil einer von Deutschen und Russen gemeinsam geleisteten Arbeit der Verständigung und Versöhnung nach der Katastrophe, die von
deutschem Boden ausgegangen war.
Der nun vom Moskauer Regime Ende Februar begangene und noch anhaltende Tabubruch in der Friedensordnung Europas beschädigt dieses Friedenswerk. Aber wir bewahren es in Erinnerung für die Zeit,
die danach kommen wird, denn es bleibt Beispiel und Vorbild.
Dieses Buch, das das fiktive Gespräch zweier Maler über die Gräben des Zweiten Weltkrieges hinweg dokumentiert, soll uns dabei helfen:
Ihre Malweise ist ähnlich, es ist das Bekenntnis zur Aufgabe des Chronisten, der wirklichkeitsgetreu wiedergibt, was er sieht und erlebt. Beide sind Zeitzeugen. Im Jahre 2016 kam es zur Begegnung ihrer Bilder im Museum in Welikij Nowgorod bei einer gemeinsamen Ausstellung:
Ihre Werke konnten stellvertretend als „Kinder“ der Künstler im Rahmen der Städtepartnerschaft ein Friedensgespräch miteinander beginnen – diesen Dialog dokumentiert dieses Buch – in beiden Sprachen.
Als reales Friedensgespräch ist das Buch auch ein Beweis dafür, dass sowohl freundschaftliche als auch gesellschaftliche Verbindungen in dieser Zeit aufrecht erhalten bleiben, an die wieder angeknüpft werden kann nach dem Krieg.
Für das Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld Welikij Nowgorod e.V. Brunhild Hilf
im Sommer 2022
02.04.2024
Eine Bürgerin unserer russischen Partnerstadt war in diesem Frühjahr zu Gast in Bielefeld. Wir haben sie gebeten, uns ihr jetziges Leben zu schildern. Dies sind Auszüge daraus; sie
bekennt sich ausdrücklich zu ihrem christlichen Glauben und dass ihr die 10 Gebote und die Bergpredigt wesentliche Orientierung bieten:
Seit dem Moment der Wahl dieses Vertreters einer besonderen Gruppe von Menschen, die nicht nach allgemeinmenschlichen Begriffen von Moral und Gesinnung erzogen wurde, sondern nach den Prinzipien, nach denen der Zweck alle Mittel heiligt und das Leben eines Menschen nichts gilt, wenn es um die Erreichung der Ziele der eigenen Gruppe unter dem Namen KGB geht, - seitdem habe ich begriffen, was das für die politische Entwicklung meines Landes bedeutet.
Ich habe nie für diesen Menschen gestimmt, obwohl die Mehrheit in meiner Umgebung unter der Wirkung der massiven Propaganda diese Machtergreifung unterstützte. Für viele war sie eine Verheißung relativer Freiheit in einer Zeit ökonomischer Schwierigkeiten und bedrückender Aussichtslosigkeit, aus der man sich zu befreien hoffte: daher glaubten sehr viele an den von uns Russen so hoch geschätzten Götzen „Vielleicht“.
Der Zweite Tschetschenienkrieg, der Beginn der Freiheitseinschränkungen, zügellose Ausschweifungen und Banditentum, die Korruption, die Annexion der Krim und ihre publizistische Ausschlachtung – letzteres erbrachte in der Folge einen Ausbruch patriotischer Gefühle in der Gesellschaft, die ermüdet war von dem augenfälligen Anwachsen der Ungerechtigkeiten, die nun übertönt werden von den Ambitionen zur Weltherrschaft, von dem angeblich besonderen Weg der „Russischen Welt“.
Seitdem suchen meine Gedanken nach einem Ausweg aus dieser Situation: protestieren, an irgendwelchen Aktionen teilzunehmen – davor habe ich zu viel Angst, zumal in meinem Rücken es eine Familie und Vertraute gibt, für deren Leben und Gesundheit ich verantwortlich bin. Und als Christin bin ich überzeugt, dass gläubige Menschen nicht gegen Missstände kämpfen, sondern für das christliche Menschenbild eintreten sollten: für Liebe, Mitgefühl, Hilfe, Fürsorge, Unterstützung in meiner nächsten Umgebung.
Aber der 24. Februar hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Verzweiflung über die trennende Kluft, die sich in unmittelbarer Nähe bei jedem auftut, wenn dieser das Vorgefallene positiv aufnimmt und dabei die in der Tiefe liegende Ursache nicht versteht, nämlich die heuchlerische Manipulation der Menschen, denen es nur um die Erhaltung ihrer eigenen Macht geht – ohne jegliche moralische Rechtfertigung und um jeden Preis. Da gibt es kein Mitleid, weder mit den eigenen Nächsten noch mit Fremden, denn unsere Gesellschaft wird nun beherrscht von den Gesetzen des Kerkers, nicht von juristischen Deklarationen.
Meine Wurzeln sind noch in der Erde meiner Vorfahren, nunmehr empfinde ich im praktischen Leben aber stärker als zuvor die biblischen Worte, wir seien allesamt Pilger und ruhelose Wanderer, dass man sich nicht allzu fest einnisten solle in dem, was gewohnt und heimelig ist, weil Schmerz droht beim Verlust der Verankerung.
Ich lebe nun von Tag zu Tag. Es gilt das HEUTE. Da sind die, mit denen ich mich frei fühle, die, bei denen ich bedachtsam meine Worte abwäge, und die, vor denen ich offen Furcht hege.
Ich habe nie geglaubt, dass die Schreckensjahre meiner Jugend in der UdSSR sich wiederholen würden, aber sie sind da in noch verschärfterer Weise und ausgestattet mit Formen der Verfolgung, der Denunziation, der Verurteilungen, sogar der Erwartung vom Verlust der Freiheit.
Die multinationale und multikulturelle Gesellschaft wird immer intoleranter gegenüber Ansichten, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die den anscheinend allgemein gültigen nicht entsprechen.
Mein Verständnis des Glaubens gilt als sektiererisch, meine Ablehnung dessen, wie internationale juristische und allgemein anerkannte moralische Regeln verletzt werden, wird unpatriotisch genannt.
Jede kriegführende Partei erklärt ihre Rechtmäßigkeit. Dennoch möchte die Mehrheit in der Welt denen helfen, die einem heimtückischen Überfall unterworfen wurden. Allgemeine Vorstellungen von Gerechtigkeit eint die Menschen, und die falschen Ziele werden sich letzten Endes in ihrer ganzen unansehnlichen Abscheulichkeit zeigen. So wünscht man sich, dass dies bald eintrifft.
Verbrecherische Methoden sind primitiv, aber an sie hat sich unsere Gesellschaft gewöhnt, die Sprache der Propaganda ist so wirkungsvoll, weil die übrigen Quellen von Glaubwürdigkeit und Echtheit grausam verdeckt sind und Versuche, die Wahrheit zu ergründen, unbeantwortet bleiben.
Deshalb lohnt es sich nicht, vom russischen Volk nun bald ein Aufwachen zu erwarten, auch ist es unnötig, zu streng die zu verurteilen, die betrogen und verängstigt sind, eingepfercht in den Schraubstock der Kredite, der Sorge um Gesundheit und Leben.
Sehr wichtig aber ist die Unterstützung derer, die sich herauslösen, auch wenn durch diesen Schritt der Widerstand offenbar wurde, sie zu unterstützen und zu ermutigen.
Bielefeld, am 1.3.24
Gespräch mit Studentinnen aus St. Petersburg in ihrem Exil in Bielefeld
Im Dezember 2022 mussten Svetlana und Varvara den Ort ihres Geschichtsstudiums verlassen, da sie dort als Gegner des Krieges in der Ukraine bedroht und angegriffen wurden.
Seitdem setzen sie ihre Ausbildung an der Universität in Bielefeld fort.
Am Mittwoch, dem 13. März 2024 sind sie zusammen mit Brunhild Hilf Gäste der Lydia-Gemeinde.
Unter dem schönen Titel „Morgenglanz“ wird dort regelmäßig ab 9:30 h in der Johanniskirche gefrühstückt, um etwa 10:30 h schließt sich dann ein offenes Gespräch mit allen
Anwesenden an, das bis etwa 11:30 h dauert.
Herzlich willkommen!
Wer bei diesem „Morgenglanz“ zu Gast sein möchte, wird gebeten, sich in der Lydia-Gemeinde anzumelden unter lydia@kirche-bielefeld.de oder am Telefon des
Gemeindebüros Nr. 65628 am Di 10-12h, Mi-Fr 9-12h, Do 15:30-17:30 h.
Brunhild Hilf
26.11.2023
Was sind unsere Vorhaben für diesen Winter?
Memorial, die unermüdliche und unsterbliche Organisation für Menschenrechte, hat eine neue Zentrale in Genf gegründet. Sie sammelt wie eh und je Dokumente zu
Menschenrechtsverletzungen und bereitet die Herausgabe eines Buches vor, in dem die „Letzten Worte“ politisch Verurteilter vor Gericht publiziert werden – Zeugnisse von
Unbeugsamkeit und der Liebe zur Wahrheit. Zusammen mit Amnesty international wollen wir dieses Buch vorstellen, sobald es erschienen ist. Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember d.J. wird dies
nicht mehr möglich sein.
Aus Essen, das mit der Stadt Nizhnij Nowgorod („Klein-Nowgorod“) partnerschaftlich verbunden ist, erfuhren wir, dass dort aktuell junge russische Menschen ein Freiwilliges Soziales
Jahr absolvieren konnten – warum sollte uns dies nicht auch möglich sein? Wir möchten es jedenfalls versuchen, haben mit den Organisatoren des Bethel-Jahres Kontakt aufgenommen und mit
einer Deutsch-Dozentin der Universität in Welikij Nowgorod („Groß-Nowgorod“!): Im vergangenen Jahr konnte sie junge Deutsch-Studierende motivieren, an unserem Schreibwettbewerb teilzunehmen – nun
versucht sie, mutige InteressentInnen für ein FSJ zu gewinnen. Wir hoffen, dass es gelingt und wir im Sommer 2024 junge russische FSJ-ler hier begrüßen können.
Eine nächste Mitgliederversammlung planen wir für Februar 2024: seit dem vergangenen Jahr arbeitet Frau Dr. Nadezhda Beliakova aus Moskau an der Universität Bielefeld an der
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie. Sie ist ausgewiesene Spezialistin für die Beziehungen zwischen der Russischen und der Ukrainischen Orthodoxie und wird uns dazu
einen Vortrag halten.
Es soll im Dezember dazu noch ein Rundbrief verfasst werden – zusammen mit unseren Grüßen zum Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel.
Für den Vorstand: Brunhild Hilf
31.12.2022
Wir gratulieren Herrn Prof. Dr. Michail Pevzner zur Verleihung des Nationalpreises
„Professor des Jahres 2022“
Für die Region Nord-West wurde er im November
zusammen mit vier Kollegen der Petersburger Universität,
die andere Fachrichtungen vertreten, ausgezeichnet.
Es handelt sich um eine nichtstaatliche Würdigung,
die von der „Russischen Professorenversammlung“ vorgenommen wird.
Wir freuen uns mit ihm!
Über den nachfolgenden Link öffnet sich ein Video zum beruflichen Werdegang von Prof. Dr. Michail Pevzner – leider nur in russischer Sprache.
Den Link kopieren und im Browser öffnen.
https://disk.yandex.ru/d/VLQ0ZcGNPjxjuQ
„Das heutige Kiew hinterlässt
einen seltsamen und bitteren Eindruck.
Nach wie vor außergewöhnlich ist
bei den Menschen die Liebe zum Leben –
Die Stadt hat eine große und
zählebige Seele. Von einem tiefen,
dreifachen Atem ist diese
ukrainisch-jüdisch–russische
Stadt durchdrungen...“
(Ossip Mandelstam 1922-27)
Dieses von tiefem Leid gebeugte Klageweib zeichnete Boris Nepomnjaschtschij,
er wurde 1945 in Kiew geboren, studierte in Odessa und wählte später Nowgorod zu seiner Heimat. 1993 zeigte er in der Universität Bielefeld seine altmeisterliche Kunst.
Liebe Mitglieder und Freunde der Städtepartnerschaft mit W.Nowgorod!
Wie der Charakter Kiews und das Leben dieses Zeichners betont die Vergabe des Friedensnobelpreises 2022 an drei regierungskritische zivilgesellschaftliche Organisationen aus Belarus, der
Ukraine und Russland ihre geistige Verbundenheit – und dennoch zertritt dieser Bruderkrieg nun in grausamster Manier diese Bande.
Unsere Beziehungen zur Partnerstadt Welikij Nowgorod tasten sich auf dünnem Eise weiter, offiziell ruhen sie, und dennoch leisteten beide Stadtverwaltungen ihren Beitrag zu einem
Friedensbuch, das die Aquarelle eines deutschen und eines russischen Künstlers aus Kriegs- und Nachkriegszeit vereint. Sehr froh sind wir auch über die Teilnahme von Deutsch-Studierenden der
Universität Nowgorod an unserem Schreibwettbewerb mitten in den ersten Kriegswochen, die Verbindung zu ihnen und ihren überaus engagierten Dozenten ist eine Brücke in düsterer Zeit. Denn es wird
im Frühjahr 2023 eine Fortsetzung geben.
So gehen wir mit Ihnen in ein neues Jahr und hoffen auf friedlichere Zeiten dort; wir danken Ihnen/ Euch für Ihre/ Eure Begleitung auf diesem Weg und wünschen uns allen gesegnete
Festtage!
Für das Kuratorium: Brunhild Hilf
18.09.2022
Überlegungen zur Kontinuität der Städtepartnerschaft
zwischen Bielefeld und W. Nowgorod
Der Kriegsterror, mit dem der Moskauer Kreml das Land seiner ukrainischen Geschwister überzieht, hat verheerende Folgen: Tod, Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung allenthalben, zerrissene Familien, dazu drohende Hungerkatastrophen im globalen Süden.
Statt sich als Weltgemeinschaft der unseren ganzen Planeten gefährdenden Klimakatastrophe entgegenzustellen, sehen sich die Staaten der westlichen Welt nun gezwungen, sich mit den mörderischen Geschäften von Aufrüstung und Waffenlieferungen zu beschäftigen.
Wie lange haben wir geglaubt, dass wir durch die Zusammenarbeit mit den Bürgern unserer Partnerstadt und durch die Unterstützung von Bildungsprojekten die russische Zivilgesellschaft stärken können, dass sie sich der immer repressiver werdenden Herrschaft des Kremls widersetzen kann, die spätestens seit 2012 immer sichtbarer wurde. Damals hat Putin sich gelöst vom Versprechen einer Entwicklung zu Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft und die Errichtung einer Führerdiktatur konsequent Schritt für Schritt vorangetrieben. Der Krieg ist die logische Konsequenz daraus – trotz all seiner Entsetzlichkeit.
Viele deutsch-russische Städtepartnerschaften haben angesichts dieser für bisher unvorstellbar gehaltenen Tragödie ihre Beziehungen eingestellt.
Zwischen Bielefeld und Welikij Nowgorod spinnen wir weiter zarte, aber unzerreißbare Fäden. WARUM?
Nowgorod nennt sich seit 1999 wieder mit seinem alten Namen Welikij Nowgorod, der an die stolze republikanische Zeit im Mittelalter erinnert, in der eine Volksversammlung Rechte gegenüber dem Fürsten und Erzbischof hatte und diese einklagen konnte.
Die Beziehung zu westlicher Kultur und Lebensart wurde gestärkt und aufrecht erhalten durch zahlreiche Handelsverträge mit mittel – und westeuropäischen Hansestädten – diese Tradition ist lebendig im kulturellen Selbstbewusstsein der Nowgoroder, das haben wir oft und oft gespürt.
Projektideen, die in der kontaktarmen Corona-Zeit - oder auch schon vorher - entstanden waren, haben wir daher fortsetzen können.
Das erste ist das Friedensbuch, das Aquarelle eines deutschen und eines russischen Malers vereint, es dokumentiert die Folgen des Vernichtungskrieges, den die deutsche Wehrmacht über die UdSSR verhängte – tut dies aber in wunderschönen Bildern der großartigen Architekturdenkmale der Stadt. Es ist der Beweis dafür, dass Versöhnung nach so einer Katastrophe möglich ist. Das Buch macht Hoffnung. Beide Stadtoberhäupter haben ein aktuelles Grußwort beigesteuert!
Das zweite ist ein Schreibwettbewerb zum Thema „Deutschlandbilder- Russlandbilder – aus meiner Sicht“ – teilgenommen haben Studierende der deutschen Sprache der Universität Nowgorod und ihre Dozenten, darunter Geschichtsprofessoren hier wie dort, die die Kooperation der beiden Universitäten fortführen.
B.Hilf
02.07.2022
Der Krieg & die russische Zivilgesellschaft
Der Kriegsterror, mit dem der Moskauer Kreml das Land seiner ukrainischen Geschwister überzieht, hat verheerende Folgen: Tod, Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung allenthalben, zerrissene Familien, dazu drohende Hungerkatastrophen im globalen Süden.
Statt sich als Weltgemeinschaft der unseren ganzen Planeten gefährdenden Klimakatastrophe entgegenzustellen, sehen sich die Staaten der westlichen Welt nun gezwungen, sich mit den mörderischen Geschäften von Aufrüstung und Waffenlieferungen zu beschäftigen.
Wie lange haben wir geglaubt, dass wir durch die Zusammenarbeit mit den Bürgern*innen unserer Partnerstadt und durch die Unterstützung von Bildungsprojekten die russische Zivilgesellschaft stärken können, dass sie sich der immer repressiver werdenden Herrschaft des Kremls widersetzen kann, die spätestens seit 2012 immer sichtbarer wurde. Damals hat Putin sich gelöst vom Versprechen einer Entwicklung zu Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft und die Errichtung einer Führerdiktatur konsequent Schritt für Schritt vorangetrieben. Der Krieg ist die logische Konsequenz daraus – trotz all seiner Entsetzlichkeit.
Viele deutsch-russische Städtepartnerschaften haben angesichts dieser für bisher unvorstellbar gehaltenen Tragödie ihre Beziehungen eingestellt, auch Hochschulkooperationen sind auf Eis gelegt.
Zwischen Bielefeld und Welikij Nowgorod spinnen wir weiter zarte, aber unzerreißbare Fäden. WARUM?
Nowgorod nennt sich seit 1999 wieder mit seinem alten Namen Welikij N., der an die stolze republikanische Zeit im Mittelalter erinnert, in der eine Volksversammlung Rechte gegenüber dem Fürsten und Erzbischof hatte und diese einklagen konnte.
Die Beziehung zu westlicher Kultur und Lebensart wurde gestärkt und aufrecht erhalten durch zahlreiche Handelsverträge mit mittel – und westeuropäischen Hansestädten – diese Tradition ist lebendig im kulturellen Selbstbewusstsein der Nowgoroder, das haben wir oft und oft gespürt.
Projektideen, die in der kontaktarmen Corona-Zeit - oder auch schon vorher - entstanden waren, haben wir daher fortsetzen können.
Das erste ist das Friedensbuch, das Aquarelle eines deutschen und eines russischen Malers vereint, es dokumentiert die Folgen des Vernichtungskrieges, den die deutsche Wehrmacht über die UdSSR verhängte – tut dies aber in wunderschönen Bildern der großartigen Architekturdenkmale der Stadt. Es ist der Beweis dafür, dass Versöhnung nach so einer Katastrophe möglich ist. Das Buch macht Hoffnung. Beide Stadtoberhäupter haben ein aktuelles Grußwort beigesteuert!
Das zweite ist ein Schreibwettbewerb zum Thema „Deutschlandbilder- Russlandbilder – aus meiner Sicht“ – teilgenommen haben Studierende der deutschen Sprache der Universität Nowgorod und ihre Dozenten*innen, darunter ein Geschichtsprofessor, und in der Jury in Bielefeld saßen ebenfalls zwei Geschichtsprofessoren – diese kommunale und universitäre Kooperation gibt uns Hoffnung!
Für den Vorstand des Kuratoriums:
Brunhild Hilf
„Putin, nicht das russische Volk, hat sich für den Krieg entschieden.
Dieser Krieg ist Putins Krieg.
Die Differenzierung ist mir wichtig.
Die Aussöhnung zwischen Deutschen und Russen nach dem 2. Weltkrieg
ist und bleibt ein wichtiges Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte.“
Olaf Scholz, Regierungserklärung 27.02.2022
Dieser Aufgabe bleibt
das Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld – Weliki Nowgorod e.V.
verpflichtet,
auch in diesen finsteren Zeiten.
Für den Vorstand: Brunhild Hilf am 13.04.2022
Carsten
Müller*
31.03.2022
Forum Internationale Partnerschaft, Ausgabe 4/2022
Städtepartnerschaften sind kein Funktionärsreisedienst für Schönwettertage
Meine Heimatstadt Braunschweig ist bereits seit 1988 mit der russischen Stadt Kasan über eine Städtefreundschaft eng verbunden. Noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs haben wir dieses Band der
Freundschaft geknüpft und seither eng verflochten. Ich selbst hatte im Rahmen des Jugendaustausches in den 90er Jahren mehrfach die Gelegenheit zum Besuch in Kasan. Jedes Mal beeindruckten mich
die große Offenheit, das freundschaftliche Miteinander und das bislang stets gewachsene Vertrauen zwischen uns. Bis heute betrachte ich besonders die Städtepartnerschaften und
Städtefreundschaften mit russischen Städten als ein Geschenk. Jedes Mal bin ich zutiefst dankbar für diese besondere Beziehung zwischen unseren Völkern und der
Verbundenheit, die wir vor allem auch dem russischen Volk zu verdanken haben. Die Menschen Russlands öffneten sich uns - trotz der schrecklichen Erfahrungen des deutschen Überfalls 1941 und der
folgenden Verbrechen in ihrem Land. Die Freund-schaften und unser städtepartnerschaftlicher Dialog dürfen nun, in Zeiten einer schweren Krise, nicht abreißen.
Denn für mich ist klar: Städtepartnerschaften sind viel mehr als ein Funktionärsreisedienste bei politischen Schönwetterlagen oder als ein Mittel für einen größeren Briefkopf der Kommunen und
Städten. Städtepartnerschaften sind gewachsene Freund-schaften und Dialogplattformen. Freundschaften stehen für Vertrauen, Dialog und Offenheit. Ich bin fest davon überzeugt,
dass wir auf Grundlage unserer Städtefreundschaft und dem Netzwerk der Partnerschafts- und Freundschaftsstädte, die zentrale Aufgabe der Völkerverständigung und des Eintretens für den Frieden
besonders gerecht werden können. Gerade jetzt müssen wir diese, unsere zivilgesellschaftlichen Kontakte mit den Menschen in Russland nutzen. Dieses Jahre und Jahrzehnte gewachsene Vertrauen und
die möglicherweise bestehenden persönlichen Kontakte in den Partnerstädten bieten uns eine besondere Gelegenheit für den vertrauensvolleren Dialog. Wenn alle in unseren Städten und Kommunen
Handelnden Kontakt zu den Menschen in ihren russischen Partnerstädten aufnehmen, ......................................., ihre Stimme erheben und den Ruf laut werden lassen. Mit diesem Ansinnen
habe ich unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, den Bürgermeister der meiner Heimatstadt Braunschweig städtefreundschaftlich verbundenen Stadt Kasan und alle Abgeordneten der
Kasaner Stadtduma persönlich angeschrieben. Ich habe sie im Bewusstsein unserer gewachsenen Städtefreundschaft und der teilweise persönlichen Verbundenheit dazu aufgerufen, alle Möglichkeiten und
Chancen zu nutzen, sich für Frieden einzusetzen und so das Leben der
Ukrainerinnen und Ukrainer, aber auch der vielen russischen Soldaten zu schützen. Ich bin sicher, dass die Schreiben, die über die Netzwerke der Städtefreundschaften und Städtepartnerschaften in
Russland ankommen, auch zum Nachdenken anregen und so einen, ..... Vorerst bin ich für die Beibehaltung der Städtefreundschaften. Sie können einen wichtigen Baustein einer gemeinsamen und
friedlichen Zukunft bilden. Diese Bänder der Verbundenheit dürfen in Krisenzeiten nicht als Erstes zerschnitten werden. Sie müssen allerdings aktiv zur Rückgewinnung des Friedens genutzt werden.
Werden Städtepartnerschaften nur als Funktionärsreiseveranstaltungen begriffen, sind die wertlos.
* Carsten Müller, Mitglied des Deutschen Bundestages
Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Berlin/Braunschweig
Platz der Republik 1 Gieselerwall 2
11011 Berlin 38100 Braunschweig
T: 030 227 73 298 T: 0531 60 18 69 80
F: 030 227 76 298 F: 0531 60 18 69 81
carsten.mueller@bundestag.de; carsten.mueller.ma03@bundestag.de
Quelle: FAZ - online (Aktualisiert am 25.02.2022 - 17:07 Uhr)
Offener Brief:
Dieser Krieg ist ein zynischer Verrat
Ein Schritt ins Nichts:
In diesem offenen Brief wenden sich bedeutende russische Wissenschaftler gegen ihren
Präsidenten Wladimir Putin.
Wir, russische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, erheben entschiedenen Protest gegen die von den Streitkräften unseres Landes begonnenen kriegerischen Handlungen auf dem Territorium der Ukraine. Dieser verhängnisvolle Schritt führt zu gewaltigen Menschenopfern und untergräbt die Grundlagen des etablierten Systems der internationalen Sicherheit. Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Kriegs in Europa liegt vollständig bei Russland.
Für diesen Krieg gibt es keinerlei vernünftige Rechtfertigungen. Die Versuche, die Situation im Donbass als Anlass für die Entfesselung einer militärischen Operation auszunutzen, erwecken keinerlei Vertrauen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung der Sicherheit unseres Landes darstellt. Der Krieg gegen sie ist ungerechtfertigt und offensichtlich sinnlos.
Die Ukraine war und wird ein uns nahes Land bleiben. Viele von uns haben in der Ukraine Verwandte, Freunde und Kollegen im Bereich der Wissenschaft. Unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben gemeinsam gegen den Nationalsozialismus gekämpft. Die Entfesselung eines Krieges wegen der geopolitischen Ambitionen der Führung der Russländischen Föderation, die sich leiten lässt von zweifelhaften historiosophischen Fantasien, ist ein zynischer Verrat ihres Andenkens.
Wir achten die ukrainische Staatlichkeit, die sich auf real funktionierende demokratische Institutionen stützt. Wir sehen mit Verständnis die europäische Wahl unserer Nachbarn. Wir sind davon überzeugt, dass alle Probleme in den Beziehungen zwischen unseren Ländern auf friedlichem Wege gelöst werden können.
Mit der Entfesselung des Krieges hat sich Russland zu internationaler Isolierung verurteilt, zu einem ausgestoßenen Land. Das bedeutet, dass wir Wissenschaftler uns jetzt nicht in normaler Weise mit unserer Arbeit werden beschäftigen können; denn wissenschaftliche Untersuchungen sind undenkbar ohne eine vollwertige Zusammenarbeit mit den Kollegen anderer Länder. Die Isolierung Russlands gegenüber der Welt bedeutet eine weitere kulturelle und technologische Abwertung unseres Landes, bei vollständigem Mangel an positiven Perspektiven. Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt ins Nichts.
Es fällt uns schwer, einzusehen, dass unser Land, das einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über den Nationalsozialismus geleistet hat, jetzt Anstifter eines neuen Krieges auf dem europäischen Kontinent geworden ist. Wir fordern die unverzügliche Einstellung aller gegen die Ukraine gerichteten militärischen Handlungen. Wir fordern die Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder.
Mehr als 380 Wissenschaftler haben binnen 24 Stunden diesen offenen Brief unterzeichnet, der auch im Internet veröffentlicht worden ist, darunter 65 Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften. Am 4. März hatte er bereits mehr als 7500 Unterzeichner. Die 1724 von Peter dem Großen gegründete nationale Akademie mit Sitz in Moskau ist die ranghöchste Forschungseinrichtung der Russischen Föderation.
Übersetzung aus dem Russischen von Werner Lehfeldt.
Eiszeit zwischen unseren Ländern?
Hier steht ein 4 t schwerer Findling, den drei kleine Schnecken zu bezwingen versuchen – daneben auf einem anderen Stein eine kleine,
18 cm große Figur, es ist der japanische Dichter Kobayashi Issa :
er ermutigt die Schnecken :
„Die kleine Schnecke / ganz langsam steigt sie hinauf / auf den Berg Fuji.“
Ein größerer Kontrast ist kaum denkbar als dieser : dem sprichwörtlich langsamsten Tier
traut man zu, den höchsten, von vielen als heilig verehrten Berg Japans zu besteigen ……
Wir sehen hier den Verjazhskij Square – neu gestaltet von den jungen Aktivisten der Gruppe „Novyj Gorod“, die ihre Stadt seit über 10 Jahren sozialer und ökologischer machen.
Ihre Beharrlichkeit ist erfolgreich – das wünschen sie auch den Schnecken. Diese werden von den Mitbürgern des Viertels eingekleidet, zum Schutz vor der Kälte des Lebens.
Und so machen sie auch uns Mut, weiter zu vertrauen auf die Wandlungs- und
Friedensfähigkeit Russlands.
07.06.2021
Wir sind unendlich traurig über den Tod unseres Vorstandsmitgliedes
Dr. William Rotsel
22.10. 1942 – 01.06.2021
Geboren in den USA als „William“, taufte ihn seine Russischprofessorin
um in „Wasja“, was offenbar sein weiteres Tun vorherbestimmte und die Bereiche seiner akademischen Laufbahn Russistik/ Slavistik prägte.
Seit 1970 lebte er in Deutschland, zunächst in Münster, dann forschte und unterrichtete er seit 1976 am Oberstufenkolleg und der Universität Bielefeld.
Er begleitete und gestaltete zahlreiche Austauschmaßnahmen mit der Partneruniversität in Welikij Nowgorod und wirkte maßgeblich mit an Übersetzungsprojekten, die im Zusammenhang stehen mit dem
Gedenken an sowjetische Zwangsarbeiter in Bielefeld. Seit 2007 bereicherte er die Arbeit des Kuratoriums Städtepartnerschaft Bielefeld – Welikij Nowgorod mit seiner profunden Kenntnis der
russischen Kultur und der scharf-sinnigen Beobachtung der politischen Entwicklung Russlands. Seine Übersetzungen und Deutungen so mancher Presseberichte aus der Partnerstadt waren Glanzpunkte in
den Rundbriefen unseres Vereins. Wenn er Filme aus der Vergangenheit und Gegenwart der russischen Medienkultur präsentierte, waren dies Sternstunden der Kommunikation mit dem oft so überaus
fremden und doch so köstlich unterhaltsamen Wesen russischer Menschen.
Dass er in den letzten Jahren aus gesundheitlichen Gründen seiner Begeisterung für sportliche Outdoor - Aktivitäten immer weniger frönen konnte, bremste seine Lebenslust und -kraft. Nun hat ihn
die Krankheit besiegt.
Wir sind sehr dankbar,
dass er seine kritische Liebe zur russischen Kultur
eine Zeitlang mit uns teilte, werden uns immer an seinen Humor
und seine Bescheidenheit erinnern und ihm ein besonderes freundschaftliches Andenken bewahren.
Im Namen des Vorstandes : Brunhild Hilf
Liebe Freunde und Mitglieder der Städtepartnerschaft mit Welikij Nowgorod!
Unsere Jahresgrüße fliegen zu Ihnen mit diesem Engel. Dmitrij S. Kondratjew brachte ihn im Winter 1993/94 aus Nowgorod mit zu seiner Ausstellung im ZiF. Gemalt hat er ihn in der Endphase der UdSSR unter dem Eindruck einer Zeit, in der er das Leiden der Menschen und ihre Hoffnung auf Veränderung sichtbar machen wollte. Es war auch die Zeit, in der Andrej Sacharow die Menschen-rechtsorganisation „Memorial“ gründete, das historische Gewissen Russlands, dessen Bedrohung uns nun zutiefst beunruhigt.
Aber es ist der „Unruhe-Engel, der wacht und weckt“ – so sein Name.
Und die Zivilgesellschaft in Russland ist aufgeweckt: auf dem „Platz der Erinnerung“ in Welikij Nowgorod versam-meln sich regelmäßig Bürger vor dem Gedenkstein an verschollene „Opfer politischer Repressionen“, dessen Inschrift „schwört, das unrechte Brandmal Feind des Volkes zu löschen“. Davon ist die „Memorial“ zuge-wiesene Selbstetikettierung als „ausländischer Agent“ nicht weit entfernt.
Die pandemiebedingte Kontakteinschränkung legt sich zusätzlich zu der politischen Entfremdung lähmend auf die Gestaltung der partnerschaftlichen Beziehungen, die wir im Internet zu überbrücken versuchen.
Im auslaufenden Jahr 2021 hat es nur eine Mitgliederversammlung geben können: am 30. September sprach Dr. Anke Giesen (aus dem Vorstand von Memorial Deutschland) über Protestbewegungen in der Zivilgesellschaft Russlands.
Wir hoffen - und planen deshalb weitere Themen und Einladungen an kundige Referenten: Darunter ist der Beauftragte der Bundesregierung für die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit den GUS-Staaten Johann Saathoff, eine Kooperation mit Prof. Dr. Frank Grüner am Lehrstuhl für Osteuropa der Universität Bielefeld zur Frage der russischen Einflussnahme in unserer Gesellschaft, ein Vertreter des Deutsch-russischen Austausches über russische Klima- und Umweltpolitik und vielleicht auch ein Vortrag über die Literatur und Geisteswelt Dostojewskijs.
Mit der Hoffnung, dass alte Verbindungen erhalten bleiben und auch neue wachsen können, gehen wir in das Jahr 2022.
Ihnen alles Gute – bleiben Sie mit uns zuversichtlich!
Brunhild Hilf
für das Vorstandsteam
09.05.2020
Am 8. / 9. Mai 2020 denken wir daran, dass 75 Jahre
nach dem Ende des 2. Weltkrieges das Werk der Versöhnung
unsere Aufgabe bleibt
- zumal in Zeiten zunehmender neuer Entfremdung.
Wir nehmen an dieser Stelle Worte auf,
die Rudolf Lange, einer unserer Gründungsväter,
anlässlich einer Reise im Sommer 1986,
ein Jahr vor der offiziellen Besiegelung der Städtepartnerschaft
in Nowgorod sprach.
Sie bleiben uns ein Vermächtnis.
Brunhild Hilf am 8./9. Mai 2020
Rudolf Lange
Rede am Mahnmal
Wir stehen hier als Teilnehmer einer Reise, die das Kuratorium Städtepartnerschaft Nowgorod eingeleitet hat. Unter uns sind Mitglieder des Vereins und zwei Mitglieder des Vorstands.
So darf ich hier für das Kuratorium folgendes aussprechen:
Das Kuratorium hat als private Vereinigung sich zum Ziel gesetzt, zwischen dieser Stadt und der Stadt Bielefeld eine Städtepartnerschaft herbeizuführen. Zweck dieses Tuns ist es, über die Partnerschaft eine Aussöhnung zwischen Bürgern Nowgorods und Bielefelds herbeizuführen, eine exemplarische Aussöhnung deswegen, weil unser Volk die Ursachen für die Zerstörung dieser Stadt und die Zerstörung in diesem Land gesetzt hat. Der Anfang ist mit dem Besuch der Delegation der Stadt Bielefeld im Juli gemacht worden.
Wir wollen für unseren Teil alles dazu beitragen, daß eine solche Aussöhnung stattfindet, insbesondere dadurch, daß wir uns kennenlernen, daß wir im Menschen des anderen Volkes den Mitmenschen erkennen und daß wir alle Frieden wollen, daß Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und daß alles Tun den Frieden sichert und festigt.
Unser Besuch als Bürger Bielefelds ist der Anfang, dem viele Besuche hier und in Bielefeld folgen mögen.
Zum Zeichen unseres Versöhnungswillens mit der Bitte um Verzeihung verneigen wir uns vor den Toten, derer hier gedacht wird, und legen dieses Blumengebinde mit der Erklärung auf der Schleife ″Für Frieden und Versöhnung″ nieder.
09.05.2020
Nachstehende Erklärung des "Deutsch-Russisches Forum e.V." wurde von der Stadt Bielefeld und dem Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld - Welikij Nowgorod e.V. unterzeichnet.
Die Teilnehmer aus Welikij Nowgorod bei den Bethel athletics am 6. Juli 2019
von l. nach r. - Viktoria Vasileva, Shandor Kartavcev, Julia Bondareva (Lehrerin), Alexey Mikhaylov und Narek Stepanian
18.07.2018
Von links nach rechts:
Oksana Petrovna (Schuldirektorin des Zentrums für adaptives Lernen Nr. 7); Irina Tupitsyna (Gold Leichtathletik); Alina
Fedoseeva (Silber Leichtathletik); Nikita Udaltcov (Gold Leichtathletik); Aleksei Afanasev (Silber
Leichtathletik); Oksana Bondareva (Sonderschulpädagogin)
Auch in diesem Jahr durften wir uns über den Besuch einer kleinen Gruppe, bestehend aus zwei Lehrerinnen und vier Schülern des Zentrums für adaptives Lernen Nr. 7 aus Welikij Novgorod,
freuen!
Auf dem Programm standen zahlreiche Aktivitäten wie zum Beispiel der Besuch der Mamre-Patmos-Schule mit anschließendem Fußballturnier, ein Spaziergang am Obersee, Minigolf, ein Ausflug ins
Ishara, eine umfangreiche Stadtführung uvm.
Das Highlight des Aufenthaltes war jedoch die Teilnahme an den 22. Bethel athletics, bei denen unsere russischen Freunde zusammen mit einer Gruppe aus Polen das besondere Vorrecht genießen
durften, bei der Eröffnung der Spiele Träger des olympischen Feuers zu sein!
In den Disziplinen der Leichtathletik (50m-Lauf, Weitsprung und Ballweitwurf) gelang es den Schülern zwei Gold- und zwei Silbermedaillen zu gewinnen.
‼️ The unforgettable, brave Olga Misik, now 19, made herself famous by reading the Russian constitution to the riot policemen.
She is now facing two years in prison! Sentence is due on May 11. In her final word, she says that she was inspired by Sophie Scholl, an antifascist executed by nazis in 1943.
Her final word, in Russian:
https://docs.google.com/document/d/19v0wvbp3lhFsMwIA7UZjj36F-xhWNMv75XthqNXPvGs/mobilebasic?fbclid=IwAR2_ljBpAdTqKGcUZogp3Ea2ggvSiAioFVnaWGq4OZUjhZldGb0CzhMo18Q
Olga Misik: Ein letztes Wort
Über Angst
Man hat mich oft gefragt, ob ich nicht Angst habe. Öfter im Ausland als bei uns in Russland, weil sie dort nicht auf dem Laufenden sind hinsichtlich der Besonderheiten unseres Lebens, nicht die schwarzen Gefängnislimousinen kennen, nicht Verhaftung und Gefängnis ohne Grund und Anlass. Und sie kennen nicht das Gefühl der Hoffnungslosigkeit,
das wir mit der Muttermilch einsaugen. Und es ist dieses Gefühl der Ausweglosigkeit, das alle Äußerungsformen von Angst verkümmern lässt, es infiziert uns mit angelernter Hilflosigkeit. Welchen Sinn hat es, Angst zu haben, wenn deine Zukunft von dir nicht abhängt?
Mir war nie angst und bange. Ich fühlte Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit, Niedergeschlagenheit, Unruhe, Enttäuschung, Ausgebranntsein, aber weder die Politik noch der Aktivismus flößten mir jemals Angst ein. Angst hatte ich nicht, als nachts zu mir bewaffnete Banditen eindrangen, die mir mit Gefängnis drohten. Sie wollten mir Schrecken einjagen, aber das wirkte nicht. Ich scherzte und lachte, denn ich wusste: wenn ich aufhöre zu lächeln, verliere ich.
Als ich mit diesen Banditen in ihrem schwarzen Wagen nach Moskau fuhr, dachte ich, dass es womöglich das letzte Morgenlicht sei, das ich für lange Jahre sehe. Ich dachte an meinen Vater, den ich zum ersten Makl weinend gesehen hatte, an Mama, die mir ins Ohr flüsterte: „ Gesteh es nicht“, den Bruder, der zu mir auf die Datscha gelaufen kam, an Igor, der auf dem Boden lag und die Fragen der Ermittler ignorierte. Mir war traurig und weh zumute, aber ich fürchtete mich nicht.
Ich hatte keine Angst, als man mich in die Isolierzelle warf. Ich war besorgt wegen Igor, las wieder und wieder die Briefe der Freunde,
mein Schicksal aber beunruhigte mich am wenigsten. Das ist sehr seltsam, vielleicht ist es ein Schutzmechanismus, - aber seitdem hatte ich nicht ein einziges Mal mehr Angst.
Ich erinnere mich gut daran, wie ich zu der Aktion fuhr und mir dabei versprach, dass es die letzte in meiner Aktivistenkarriere sein würde, dass ich mich nun davon zurückziehe und mich meinen Studien widmen werde. Ich war aufgeregt und stellte mir vor, wie das ablaufen würde, Angst aber hatte ich nicht. Und selbst beim Studium des Straf- und Verwaltungsrechts, aller Vorläufer ähnlicher Aktionen, hatte ich keine Angst. Diese Nacht war wunderschön, und ich begriff, dass es womöglich meine letzte Nacht in Freiheit sein würde, das jedoch schreckte mich nicht.
Seit der Durchsuchung aber, seit den vergangenen neun Monaten, empfinde ich permanente Angst. Seit jener Nacht in der Isolierzelle schlief ich niemals mehr normal. Jede Nacht wache ich auf von irgendeinem Geräusch, immer lausche ich irgendwelchen Schritten im Korridor und mich erfasst Panik vom Geräusch des Schotters unter den Autorädern hinter dem Fenster.
Und mir scheint, dass der gesamte Schrecken, der sich in den vergangenen 9 Monaten in mir angesammelt hat, sich nun in diesem Schlusswort konzentriere, weil öffentliche Auftritte mir mehr Furcht einflößen als das Urteil. Mein Puls ist jetzt auf 150 Schläge in der Minute gestiegen, das Herz rast, und eine Gänsehaut überläuft den ganzen Körper.
Jemand sagt, es sei unmöglich, Angst zu haben, wenn du weißt, dass Du Recht hast. Russland aber lehrt uns, permanent Angst zu haben. Das Land, das jeden Tag versucht, uns umzubringen. Aber wenn du dich außerhalb des Systems befindest, so bist du sowieso schon so gut wie tot.
Und, vielleicht, hatte ich trotzdem Angst, als ich zu der Aktion fuhr. Aber ich hatte begriffen, dass ich nicht anders kann. Ich hatte begriffen, dass es anders nicht geht. Dass ich, wenn ich jetzt schweige, mich nie mehr rechtfertigen können werde. Wenn mich meine Kinder fragen werden, wo ich war, als solches geschah, wie konnte ich es geschehen lassen und was tat ich, um etwas zu verbessern – nichts werde ich ihnen antworten können. Was werde ich sagen? Ich stand Wache beim FSB? Das ist lächerlich. Ein freundlicher Selbstbetrug, den ich mir nicht erlaben durfte.
Aber was ist mit Ihren Kindern? Wenn sie Sie fragen werden, wo Sie waren, als dies passierte, was werden Sie ihnen antworten? Sie hätten Anklagen ausgesprochen?
Natürlich, ich war bei der Aktion. Ich bedaure es nicht, und mehr noch: ich bin stolz auf meine Tat. Tatsächlich aber hatte ich keine Wahl, und ich musste alles tun, was ich tun konnte, und deshalb habe ich kein Recht, es zu bedauern. Und wenn ich zurückkehren könnte in die Vergangenheit, ich täte es abermals. Falls mir dafür die Todesstrafe drohte, ich täte es abermals. Ich täte es wieder und wieder, ein ums andere Mal, bis es etwas auslöst. Man sagt, die Wiederholung ein und derselben Handlung in der Erwartung eines anderen Resultates – das sei Wahnsinn. Es kann sein, dass Hoffnung – Verrücktheit ist. Aber Dinge zu unterlassen, die du für richtig hältst, wenn alle ringsherum sie für nutzlos erachten, das ist erlernte Hilflosigkeit. Und es ist besser, in ihren Augen verrückt zu sein als in meinen hilflos.
Über Größe
Die Vertreter der „Neuen Größe“ sagten mir an diesem Sonntag, dass es nicht vergeblich gewesen sei. Dass es ihnen Hoffnung gemacht habe. Dass es ihnen nicht egal sei. Und wenn dies auch nur die halbe Wahrheit ist, dann heißt das, dass es in der Tat so ist. Falls irgendjemandem hinter Gittern leichter wird dadurch, dann heißt es, es war nicht vergeblich.
Es heißt, dass ich nicht das Recht habe, zu bedauern, dass ich selber hinter Gittern sitzen werde.
Maslov selber sah die Plakate, die ihm galten. Krasnov selber forderte für uns den Prozess. Das heißt, mein Aufruf wurde angenommen. Das heißt, man hat mich gehört. Das heißt, es war nicht vergeblich.
Meinen eigenen Anteil an der Aktion nicht zu gestehen, das wäre nicht nur prinzipienlos. Es würde alle meine Anstrengungen annullieren, alle Schrecken und Leiden, alles Erreichte, all meinen Schmerz und meinen Zorn. Ich kann mir die Prinzipienlosigkeit nicht erlauben, die sich mein Ermittler und der Staatsanwalt erlauben. Unser Ermittler brüstete sich in seinem Kabinett so mit seiner Prinzipientreue, damit, dass er die Dinge unterbunden hat, die sinnlos gewesen seien, aber im Gerichtssaal zog er feige den Schwanz ein, murmelte unverständlich etwas über Begründungen, die nicht entfielen, und ich bedaure sehr, dass ich ihn nicht mehr sehe und ihm nicht ins Gesicht sagen kann, wie sehr ich ihn verachte. Unsere junge Staatsanwältin, zu jung für Heuchelei und Lüge, verachte ich ebenfalls. Sie nicht zu verachten, ist unmöglich, und ich verstehe nicht, wie Sie sich selber nicht verachten, wenn Sie Ihren Nächsten in die Augen sehen.
Und Sie auch. Wenn Sie die vorsorgliche U-Haft verlängern, die Eingaben der Verteidigung ablehnen und die Fälschungen ertragen, die Ihnen die Staatsanwaltschaft zuschiebt, verstehen Sie sehr gut, welch ein Verbrechen Sie begehen, und es werden Ihnen Ihre Handlungen bewusster als in jener schicksalhaften Nacht. Wenn Sie mir verbieten, mich auszutauschen mit dem wichtigsten Menschen meines Lebens, wissen Sie genau, was Sie tun. Sie halten es für human, jemanden zu verfolgen, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort mit den falschen Leuten unterhielt.
Sie meinen, Sie können einen Prozess anstrengen gegen einen Menschen nur, weil ich ihn liebe, und mir dann zu verbieten zu lieben, das können Sie nicht. Sie können mir nicht verbieten zu lieben, Sie können mir nicht meine Jugend verbieten, und Sie werden niemals die Freiheit verbieten können. Sie werden nicht die Wahrheit verbieten können.
Und Sie sehen selber sehr gut, dass dieser Prozess für Sie eine größere Wende bedeutet als für mich. Denn ich habe vor langer Zeit meine Wahl getroffen, und nun steht Ihnen bevor, zu entscheiden, welche Richtung Ihr ganzes weiteres Leben einschlagen wird. Mir bedeuten weder diese Debatten noch die öffentliche Urteilsverkündigung nichts und sie entscheiden nichts. Dieses Urteil sprechen Sie nicht über mich – sondern über sich selber.
Von innen sieht ein faschistisches Regime niemals faschistisch aus. Es scheint, als seien es kleinliche Zensurmaßnahmen, irgendwelche punktuelle Repressionen, die Euch nicht tangieren. Heute aber bin nicht ich die Angeklagte. Heute entscheiden Sie nicht mein, sondern Ihr Schicksal, und Sie haben noch die Chance, den richtigen weg zu wählen. Denn Sie können sich nicht weiter betrügen. Sie wissen, was hier geschieht und wie man es benennt. Und Sie kennen Unterschied zwischen Gut und Böse, Freiheit und Faschismus, Liebe und Hass, und die Existenz der beiden Seiten zu verleugnen, das wäre der größte Betrug. Und die, die heute die Seite des Bösen wählen, haben vorzeitig den Platz auf der Anklagebank gewählt. Alle, die Anteil haben an dieser Verwischung der Grenzen, erwartet Den Haag.
Ich verspreche nicht, dass wir morgen siegen werden, übermorgen, in einem Jahr oder in 10 Jahren. Irgendwann aber werden wir siegen, weil Liebe und Jugend immer die Oberhand behalten werden. Ich verspreche nicht, dass ich das erlebe, aber ich hoffe sehr, dass Sie es erleben.
Und Sie alle betrügen sich selber, wenn Sie behaupten, ich stünde hier wegen der Aktion bei der Generalstaatsanwaltschaft. Sie betrügen sich selber, wenn Sie die mit Neonlicht beleuchtete Überschrift über den ganzen Prozess ignorieren: „Ein politischer Auftrag“ – ein Prozess nicht über uns, sondern über den gesunden Menschenverstand. Sie wissen, warum ich hier bin. Und Sie wissen, warum diese beiden hier sind – weil sie meine Freunde sind. Sie wissen, warum man mir hier den Prozess macht. Für die Verlesung der Verfassung. Dafür, dass man mich zum Menschen des Jahres ernannt hat. Für Prinzipien. Für Auftritte. Vielleicht könnte mir sogar klare politische Auftrag schmeicheln, wenn hier nicht jedermann repressiert würde, der eine eigene Meinung vertritt.
Alle Argumente der Staatsanwaltschaft versuchen, meinen Anteil an der Tat zu beweisen. Ich werde mich nicht länger damit beschäftigen, dass sie selbst das nicht professionell zu tun vermögen, in den Materialien des Prozesses befindet sich eine gefälschte daktyloskopische Expertise – aber es gab keinerlei Farbspuren auf meiner Kleidung. Und dies haben Sie selber gesehen bei der Recherche der Corpus delicti. Die Anklage benötigte 9 Monate für den Beweis meiner Beteiligung, die ich selber nicht leugne. Aber welche Beziehung hat diese Beteiligung zu dem Prozess, der sinnlos ist? Welchen Unterschied macht es, ob ich dabei war oder nicht, wenn es kein Verbrechen gibt? Allerdings, ein wenig lügen wir, wenn wir behaupten, es gebe kein Verbrechen. Denn es gibt ein Verbrechen, und verübt wurde es von der Ermittlung und der Staatsanwaltschaft.
Und ich hoffe sehr, dass Sie, Herr Richter, nicht dasselbe Verbrechen begehen.
Gerade deshalb bestehe ich auf einer vollständigen und bedingungslosen Freisprechung, ohne irgendwelche unvollständigen Maßnahmen in der Art von Abkürzungen der Strafzumessung. Ich bin überzeugt von meiner Unschuld und bereit, diese kompromisslos zu verteidigen.
Wir alle begreifen die Absurdität dieses Prozesses: angefangen von der U-Haft bis zu den von der Verteidigung bewiesenen Fälschungen. Aber der Grundwiderspruch besteht nicht darin. Er liegt darin, dass die Anklage bzw. etliche Zeugen und Experten große Aufmerksamkeit unserem Alter widmen, dass unserem Verhalten jugendlicher Maximalismus zugrunde liege. In Wahrheit aber ist jeder von uns erwachsener als jeder beliebige von Euch. Um vieles erwachsener als Krasnov, der – wie Dmitrij bemerkte – auf kindische Weise beleidigt war von unseren Plakaten.
Die Wahrheit liegt darin, dass es mir schwer fällt zu sprechen, ich tue es dennoch, und ich werde mehr und aufrichtiger sprechen als jeder von Euch. Um einiges mehr und wahrhaftiger als Ihr, denn Ihr habt kein Stimmrecht. Die Wahrheit liegt darin, dass mit dem Verbot bestimmter Handlungen und mit dem Ende der Einschränkung unsrer Freiheit im Gefängnis oder im Gerichtssaal, mit Handschellen und strengem Regime, ist jeder von uns weitaus freier als jeder von Euch, denn diese 3 Jahre werden zu Ende gehen, und auch vorher bereits werde ich weiterhin sagen, was ich denke, und tun, was ich für richtig halte, aber Sie können sich das nicht erlauben.
Wissen Sie, die vergangenen 9 Monate waren sehr schwer, und ich möchte sie nicht noch einmal erleben. Ständig habe ich etwas bereut und gedacht: „ Was wäre, wenn . . .“ oder „Aber alles könnte anders gewesen sein . . .“ Aber ich habe mich selber betrogen, denn anders konnte es nicht sein. Weil von dem Moment an, in dem ich die Verfassung in die Hand nahm, meine Zukunft bereits vorherbestimmt war, und beherzt nahm ich sie an. Ich traf die richtige Wahl, aber die richtige Wahl in einem totalitären Staat zieht immer schreckliche Konsequenzen nach sich.
Ich wusste immer, dass man mich einsperren wird, wann – das war nur eine Frage der Zeit. In dem Buch des Markus Zusak, das ich lese, über das Leben in einem faschistischen Regime, gibt es diesen Satz: “ Erkennt an, dass es Pech ist, aber Ihr wusstet es die ganze Zeit, dass es so kommen würde.“ Und dieser Satz beschreibt idealiter meine Strafsache. Das ist keine Dummheit, kein Pech, keine Zufälligkeit, und noch mehr kein Verbrechen. Ich wusste immer, dass es so kommen würde, und immer war ich bereit dazu. Sie können mich nicht überraschen.
Mein Anwalt sprach immer von Sophie Scholl, und ihre Geschichte ähnelt der meinen verblüffend. Man verurteilte sie wegen Flugblättern und Graffiti – mich wegen Plakaten und Farbe. Gewiss, in Wahrheit, verurteilt man uns beide wegen Gedankenverbrechen. Mein Prozess ähnelt sehr dem der Sophie, und das heutige Russland ähnelt sehr dem faschistischen Deutschland. Selbst vor der Guillotine widerrief Sophie ihre Überzeugungen nicht, und ihr Beispiel inspirierte mich, dem Abbruch der Aktion nicht zuzustimmen. Sophie Scholl ist die Verkörperung der Jugend, der Aufrichtigkeit und der Freiheit, und ich hoffe sehr, dass ich ihr darin ähnlich bin.
Über das Licht
Ich möchte mein Schlusswort beenden mit Zitaten zweier bemerkenswerter Leute: Albus Dumbledore und Sophie Scholl. Ich habe heute zuviel über Angst gesprochen, daher lasse ich die beiden über das Licht sprechen. (…)
Albus Dumbledore sagte zur Zeit des Krieges: „Das Glück kann man selbst in den allerdunkelsten Zeiten finden, wenn man nicht vergisst, sich dem Licht zuzuwenden.“
Die letzten Worte Sophie Scholls vor der Hinrichtung: „Die Sonne scheint noch.“
In der Tat: die Sonne scheint noch. Durch das Fenster der Isolierzelle sah ich sie nicht, wusste aber immer, dass sie da ist. Und wenn wir nun, in diesen dunklen Zeiten, dem Licht zuwenden können, nun ja, vielleicht bringt es uns den Sieg näher.
(Übersetzung: BHilf, 11.5.21)
Neue Übermalung des Wandbildes und Anbringung einer Informationstafel. (Stand 11. Februar 2019)
Die Räume von "MaMy" vor und nach der Renovierung. (Tatjana Tscherneva links mit Pinsel)
04.12.2018
20.12.2018
12.12.18 Von Dmitrij Astaschkin
Das Nowgoroder Projekt „MaMy“ erhält den Nationalpreis „Bürgerinitiative“
Gestern, am 11. Dezember, wurde in Moskau die Siegerehrung für die Nationalpreise „Bürgerinitiative“ gefeiert. In der Nominierung für die „Familie der Zukunft“ siegte das Programm „MaMy“ aus Welikij Nowgorod. Seine Leiterin Tatjana Tscherneva nahm aus der Hand der Sängerin Alsa die Figur „Der Goldene Keim“ und das Zertifikat über 200.000 Rubel entgegen.
Die Dankesrede der Tatjana Tscherneva begann mit Tränen der Aufregung, aber dann wandte sie sich direkt an den anwesenden Leiter des Rechnungshofes der Russischen Föderation Alexej Kudrin. „Als wir Vladimir Vladimirovitsch (Putin) von dem Projekt erzählten, sagte er: „Jetzt weiß ich, dass es solche Mütter gibt.“ Die lauten Stimmen in den sozialen Netzwerken reagierten: „Wir sind die Mütter, von deren Existenz der Präsident nun weiß.“ Jetzt werden sie die Mütter sein, die auch Sie kennen.“
„Es sind sehr starke Frauen, die sich nicht unterkriegen ließen. Und weiter kämpfen für das Leben ihrer Kinder und das eigene. Denn sie sind jung und gezwungen, zuhause zu sitzen. Unser Projekt zielt darauf ab, sie aus dem Haus zu lassen, damit sie ein aktiver Teil der Gesellschaft sein können. Ich bedanke mich für diese Auszeichnung. Unsere Mütter werden verrückt werden vor Freude darüber, dass Sie uns dieses Geschenk machen, denn sie lieben alle Ihre Kunst. Ich danke auch Inna Gomez und Alexej Jagudin, die sich bereit erklärt haben, heute hier für Sveta eine Video-Aufzeichnung zu machen . . . sie hat morgen Geburtstag, gemeinsam mit ihrem Sohn Aljoscha haben sie einen Gehirntumor besiegt. Morgen werden wir diese Anerkennung in der Gruppe in unserer Stiftung auslegen. Alle sollen sich mitfreuen.
Unser Motto lautet: Wir machen das Unmögliche möglich. Zusammen mit Ihnen, alle zusammen, machen wir das – vielen, vielen Dank!“
(Übers. : BHilf)
24.11.2018
Hospitation Tatjana Tscherneva in Bethel
Vorne:
Beschäftigter in der Werkstatt „Eicheneck“
Dahinter: (v.l.n.r.)
Leja Salimova (Werkstatt Eicheneck), Andreas Nöh (proWerk in Bethel), Brunhild Hilf (Kuratorium), Frau Gonsior (Werkstatt Eicheneck), Tobias Borth (proWerk in Bethel), Tatjana Tscherneva
Das Unmögliche möglich machen – Besuch aus Russland in Bethel
Können behinderte Menschen erfolgreich aus ihrer häuslichen Familiensituation heraus- und einem Leben in Gemeinschaft mit anderen arbeitenden Menschen zugeführt werden ? Davon träumt Tatjana
Tscherneva in Welikij Nowgorod seit langem, und die von Bodelschwinghschen Stiftungen erproben dies tagein tagaus – jetzt fanden sie zueinander.
Vor einem Jahr erhielt Tatjana Tscherneva persönlich aus Wladimir Putins Hand in Moskau den ersten Preis in einem Wettbewerb für familienunterstützende Hilfen: ihr Nowgoroder Projekt „Wir
Mütter“, das Müttern mit behinderten Kindern neue Perspektiven eröffnet, wurde mit 200.000 Rubeln (umgerechnet etwa 25.000,- €) bedacht. Und Frau Salimova, eine Mitarbeiterin der Betheler
Werkstatt „Eicheneck“, lernte russische Teilnehmer bei den bethel athletics 2018 kennen und entwickelte daher die Idee einer Kooperation zwischen Bethel, Welikij Nowgorod und dem Kuratorium
Städtepartnerschaft Bielefeld – W. Nowgorod e.V. .
Nun lud das Kuratorium Frau Tscherneva nach Bielefeld ein, und Herr Nöh vom Stiftungsbereich proWerk arbeitete einen detaillierten Hospitationsplan aus:
Im Dankort, beim Inklusionsexperten in der Brockensammlung, im Berufsbildungswerk, in den Werkstätten „Eicheneck“, Kracks und Brokstraße, im Bildungszentrum Schopf – überall begegnete Frau
Tscherneva engagierten Mitarbeitern, die sich Zeit nahmen, das jeweilige Konzept der Einrichtung zu erläutern und anschließend bei einem Rundgang die Realität des Arbeitens zu zeigen. Frau
Tscherneva ist beeindruckt: „Das Ergebnis meines Besuches in Bielefeld-Bethel ist die Überzeugung, dass es unsere Köpfe sind, die Behinderungen sehen, sie sind überwindbar, Einschränkungen,
Grenzen können durch genaue Beobachtung, durch Geduld und Phantasie überwunden werden – und unsere Welt wird auf diesem Wege menschenfreundlicher!“
Brunhild Hilf
Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld – Welikij Nowgorod e.V.
02.10.2018
Rede im Rathaus in W. Nowgorod am 03.09.2018
In zwei Wochen werden im Auswärtigen Amt in Berlin 30 deutsch-russische Partnerstädte dafür ausgezeichnet, dass sie im nun abgelaufenen „deutsch-russischen Jahr“ erfolgreiche Projekte miteinander haben durchführen können.
Darunter sind auch Bielefeld und W. Nowgorod.
Darüber freuen wir uns, denn es beweist, dass unsere Länder nicht so weit voneinander entfernt sind, wie es uns die hohe Politik und unsere Massenmedien bisweilen zu zeigen versuchen.
Diese Projekte entwerfen und gestalten konkrete Menschen, Bürger, Volksdiplomatie – das ist Sache der Bürger.
Unser Kuratorium geht ebenfalls auf eine Initiative von Bürgern zurück, ohne uns gäbe es diese Städtepartnerschaft nicht; und wir freuen uns darüber, dass wir immer wieder in Ihrer Stadt Bürger trafen, die Ideen hatten, welche Projekte sich just mit Bielefeldern verwirklichen lassen.
Im Juni dieses Jahres gab es eine schöne Zusammenarbeit des Theaters Bielefeld mit der Universität in W. Nowgorod. Hier trafen wir uns nun erneut mit Lehrenden und Studierenden, und wir sind überzeugt, dass unsere Kooperation von Dauer sein wird : diese Tradition ist lang und unzerstörbar!
Ich möchte jetzt weitere Kooperationsprojekte nennen:
In ihrer Stadt leben junge Menschen, die ihre Stadt lieben und sich darum kümmern, sie weiter zu entwickeln, ja, eigene Initiativen entfalten für diese Weiterentwicklung.
Ich denke dabei an die Initiativen „Novyj gorod“ („Neue Stadt“) und „Zvezdnyj port“ („Sternenhafen“). „Ich glaube daran, dass man das Unmögliche möglich machen kann“ – so ihr Motto.
Die jungen Menschen von „Novyj gorod“ haben mit staunenswertem Enthusiasmus Dinge vorangetrieben, die Welikij Nowgorod sozialer und ökologischer machen werden. Und ihr Erfolg ist so groß, dass nunmehr zwei von ihnen in der Verwaltung der Stadt mitarbeiten und als Experten gern hinzugezogen werden, wenn es um neue Planungen geht. Wir gratulieren Ihnen von ganzem Herzen zu dieser Jugend in Ihrer Stadt !
Die andere Initiative – das ist der Sternenhafen. Selbst Vladimir Vladimirovitsch Putin verlieh ihnen einen Orden für ihr Projekt mit Müttern behinderter Kinder. In Bielefeld sind wir stolz darauf, dass es im Zentrum unserer Stadt einen Stadtteil gibt, in dem kranke Menschen ihren naturgegebenen Anspruch auf ein Leben in Würde verwirklichen können. Der alte Name dieses Ortsteils Bethel bedeutet „Haus Gottes“.
Hier entstand die Idee einer Kooperation mit dem Nowgoroder Sternenhafen.
Während einer Schiff-Fahrt gestern auf dem Wolchow haben wir genauere Einzelheiten dazu besprochen. Und wir sind überzeugt davon, dass dieses Projekt segensreich sein wird für junge Menschen, deren Start ins Leben sich nicht so vielversprechend gestalten konnte wie bei der Mehrzahl von uns allen.
Vielen Dank für diesen würdigen Empfang im Rathaus der Stadt Welikij Nowgorod!
Brunhild Hilf
10.09.2018
Programm der Kuratoriumsreise nach Welikij Nowgorod und St. Petersburg 29.8. – 5.9. 2018
(Kurzfassung)
29.8. – 5.9.
Welikij Nowgorod: Übernachtung im Hotel Akron (in der Nähe des Kreml)
Touristisches:
Bauernhausmuseum, Jurjew-Kloster, Kirche in Antonovo
Stadtrundgang Kreml: Sophienkathedrale (Bild 1), Ikonen-Museum,
Handelsseite: Erlöserkirche
Kloster Vjazhischtschskij
Fahrt nach Staraja Russa ( Dostojewskij-Haus u.a.) (Bild 7-8)
Kulturprogramm:
Rachmaninov-Konzert im Zentrum „Dialog“, „Probe“ des Beljaev-Orchesters (Bild 5-6), Lehrerchor
Deutscher Soldatenfriedhof beim Ilmensee (Bild 9-10)
Bildungsinstitutionen:
Empfang in der Universität, im Gymnasium „Harmonie“ (EU-Klasse !),
Besuch auf dem Schiff „Gospodin Velikij Nowgorod“ des KJuM
Empfang durch den Bürgermeister im Großen Ratssaal – anwesend: (Bild 2-4)
Vertreter der Bildung in der Verwaltung, Dr. Michail Pevzner, Konstantin Chivritsch u.a.
Partnerschaftliches:
Wolchowfahrt mit Gästen, darunter vielen Kindern
5.9. – 8.9.
St.Petersburg: Übernachtung im Nevskij Grand Hotel in der B. Konnjuschenaja 10
Touristisches:
Bootsfahrt, Stadtrundfahrt, Besichtigung der Eremitage,
des Großen Palastes und der Parkanlage von Peterhof
Kulturprogramm:
„Schwanensee“
24.10.2018
Im Oktober 2018 wurde nach Dezember 2017 und August 2018 das Wandbild, das anlässlich des 30jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Bielefed - Welikij Novgorod mit Künstlern aus W. N. und Bielefeld entstanden ist, zum 3. Mal übersprayt. Das Kuratorium hat - auch aus finanziellen Gründen - entschieden, das es keine weitere Reinigung und Wiederherstellung des Wandbilds geben soll. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch in Zukunft erneut eine Beschädigung erfolgen wird.
Leider ist wohl eine Video-Überwachung des Wandbilds aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Nur unter dieser Voraussetzung könnte ein Erhalt evtl. möglich sein.